3. Literarischer Abend – Edgar Wallace und die englische Kriminalliteratur

Am 12. April 2025 fand die nächste Veranstaltung in der Reihe der Literarischen Abende statt, die die Universitätsgesellschaft in Kooperation mit dem Institut für Anglistik ausrichtet. Die Reihe widmet sich den Jubiläen wichtiger Schriftstellerinnen und Schriftsteller. An diesem Abend ging es im Großen Vortragssaal der Bibliotheca Albertina um den Kriminalschriftsteller Edgar Wallace und seine Stellung in der anglo-amerikanischen Detektiv- und Thriller-Literatur.

    Anlässlich des 150. Geburtstages von Edgar Wallace erörterten Kulturmoderator Gottfried Haufe, Dr. Maria Fleischhack und Dr. Jürgen Ronthaler in gewohnt kurzweiliger Manier das literarische Vermächtnis des berühmten Krimi-Autors. Zunächst wurde das Genre des Thrillers definiert, welches vom klassischen Kriminalroman insofern abweicht, dass der Handlungsverlauf und nicht nur die Lösung des Puzzles im Mittelpunkt steht. Danach standen Leben und Werk – von seiner Geburt unter schwierigen persönlichen und sozialen Umständen, über seine Jahre als Berichterstatter in der Armee und später im Ausland, bis zu seinen großen Erfolgen in den Zwanzigerjahren auf literarischem Gebiet – zur Diskussion. Diese persönlichen, zum Teil tragischen (bittere Armut in der Kindheit), bisweilen auch sehr erheiternden Lebensumstände wie ausufernde Pferdewetten und ein gelber Rolls-Royce in späteren Jahren wurden in die Kontexte der historischen Entwicklung vom Burenkrieg über den Ersten Weltkrieg bis zur Weltwirtschaftskrise der späten Zwanziger gestellt.

    Die nachfolgende literaturwissenschaftliche Einordnung von Edgar Wallace betrachtete zunächst sein journalistisches Schaffen, unter anderem bei der Daily Mail, die ihn interessanterweise wegen offenbarer Unstimmigkeiten in seinen Artikeln zeitweise feuerte, später aber wieder einstellte. In der Diskussion verorteten die Gesprächspartner in den reißerischen Aufmachungen mancher Artikel Ursprünge seines späteren Erfolges als Thriller-Autor. Feuilletonistische Texte und frühe Werke unter anderem über den Burenkrieg bildeten den Gegenstand weiterer Betrachtungen, bevor sein eigentliches Hauptwerk einer quantitativen wie qualitativen Würdigung unterzogen wurde. Wenige Autoren schaffen es, über 150 Romane mit zum Teil komplizierten Plot-Strukturen und wechselnden Protagonisten in nur 15 Jahren zu verfassen. Die literarische Qualität von Wallace‘ Werk war und bleibt umstritten. In den Dreißigerjahren traf die Einordnung als reine Unterhaltungsliteratur praktisch alle Krimiautoren. Jedoch zeigen sich seine effektvollen Handlungsstränge gekonnt variiert, seine Sprache klar und verständlich, und seine Auflösungen der Fälle überraschend. Dies stellt ihn in eine Reihe mit den ‚Queens of Crime‘ wie Agatha Christie, deren Romane aber weniger reißerisch, sondern eher analytisch sind. Besonders an Wallace hervorzuheben sind die Settings, die Elemente des Schauerromans mit Spukschlössern, dunklen Londoner Nebengassen sowie skurrilen Figuren aufnehmen.

    Die deutsche Taschenbuchserie des Leipziger Tauchnitz-Verlags stellt ihn jedenfalls in eine Reihe mit den großen Autoren seiner Zeit wie H.G. Wells, Doyle und Galsworthy. Anschließend drehte sich das Gespräch um die in Deutschland für seinen Ruf besonders einflussreichen, geradezu ikonischen Verfilmungen der Fünfziger- und Sechzigerjahre. Für ältere Generationen sind diese Filme Edgar Wallace per se. Es musste aber auch festgestellt werden, dass sie jüngeren Generationen nicht mehr bekannt sind, was leider insbesondere in England auch für die Romane gilt.

    Abschließend wurde Wallace untersucht in seiner Stellung innerhalb der Entwicklung der anglophonen Kriminalliteratur, also in der Aufnahme von strukturellen wie inhaltlichen Elementen von Edgar Allen Poe und Sir Arthur Conan Doyle; in der zeitgleichen Nähe zu Agatha Christie, sowie im Einfluss auf spätere Entwicklungen vom amerikanischen Hard-Boiled-Krimi bis zu Caroline Grahams „Inspector Barnaby“ Romanen, die sich jetzt mit der TV-Serie „Midsomer Murders“ bereits in der 24. Staffel befinden. Aufbauend auf diesen Einflüssen ließ die Runde die Hoffnung offen, dass ein Edgar Wallace Revival nicht unmöglich scheint.

    Wer den Abend nicht besuchen konnte oder sich mit dem Thema erneut beschäftigen möchte, dem sei der Podcast JubilJahr ans Herz gelegt.