Nachruf auf Manfred Jäger

Von Bundesarchiv, Bild 183-1982-0905-103 / Grubitzsch (geb. Raphael), Waltraud / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5664992

Manfred Jäger im Oktober 1999 | Foto: privat

Der Publizist und DDR-Literatur-Experte Manfred Jäger (geb. 1934 in Ilmenau/Thüringen) ist am 19. Februar 2024 kurz vor seinem 90. Geburtstag in Münster verstorben. Er studierte von 1952 bis 1955 Journalistik an der Karl-Marx-Universität Leipzig und besuchte darüber hinaus im legendären Hörsaal 40 die für seinen beruflichen Werdegang bedeutenden Literatur- und Philosophievorlesungen von Hans Mayer und Ernst Bloch.

Der Einflussnahme durch die SED entzog er sich während seines Studiums durch einen spontanen Eintritt in die CDU. Den ab 1955 verstärkt durchgeführten Anwerbeaktionen für die Kasernierte Volkspolizei (KVP) an der Sektion Journalistik, dem Vorläufer der Nationalen Volksarmee, stand er jedoch machtlos gegenüber. Die Zulassung zur Diplomprüfung wurde an eine darauf folgende Mitwirkung in den bewaffneten Organen gebunden. Der drohende Dienst bei der KVP war für Jäger und seine gesamte Seminargruppe am 15. Mai 1955 der Grund zur Flucht über die noch passierbare Grenze in Berlin in den Westen.

Hier studierte er Publizistik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, nach kurzen Stationen im Grenzdurchgangslager Friedland und Düsseldorf, und wurde in Westdeutschland zu einem führenden Experten für DDR-Forschung und in Fragen der DDR-Literatur und deren Schriftstellern; mit vielen von ihnen war er bekannt und befreundet.

Aufgrund seines Weggangs in die Bundesrepublik und seiner dortigen journalistischen Tätigkeiten hatte seine in der DDR zurückgebliebene Familie Repressalien (Abitur- und Studienverbote) und Bespitzelungen durch die Staatssicherheit zu erleiden. Bei seinen regelmäßigen Besuchen in der DDR stand er gleichfalls unter ständiger Beobachtung.

Jäger war fester freier Mitarbeiter des Deutschlandfunks in Köln und veröffentlichte regelmäßig in der Zeitschrift Deutschland Archiv. Nach dem Fall der Mauer publizierte er u.a. auch in Sinn und Form und wirkte in der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ mit. Bis heute vielzitierte Werke von Jäger sind u.a. „Sozialliteraten“ (1973, Gütersloh: Bertelsmann Universitätsverlag) und „Kultur und Politik in der DDR“ (1982 und 1995, Köln: Edition Deutschlandarchiv). 

Judith Kretzschmar und Rüdiger Steinmetz

veröffentlicht am 21.03.2024